BMW E30 M3 DTM Jägermeister
Ein gepflegter M3 E30 ist nicht allzu schwer zu finden, wenn man das nötige Kleingeld hat. Doch Armin Hahnes 1992er DTM E30 M3 in seiner originalen orangefarbenen Jägermeister-Lackierung ist eine viel seltenere Erscheinung. Tatsächlich ist er eines von nur zwei Exemplaren auf der Welt.
Als der Wagen von dem Norweger Nils Eirik Wenaas gefunden wurde, befand er sich nicht nur in einem erbärmlichen Zustand – der Besitzer hatte auch keine Ahnung von seiner Geschichte. Nils ist seit seiner Jugend BMW-Enthusiast und hatte bereits seit den frühen 2000er Jahren verschiedene BMWs für Track Days besessen. Außerdem hatte er ein paar Jahre zuvor einen E30 M3 zu einem Track-Day-Auto umgebaut und kannte sich mit „Tourenwagen-Biestern“ bestens aus. Deshalb erkannte er im Frühjahr 2014, als er auf einem Parkplatz zufällig auf einen abgenutzten weißen E30 stieß, anhand des einzigartigen Matter-Überrollkäfigs, um was es sich hier handelte. Matter war die Firma, mit der BMW seine Rennwagenchassis’ baute, und ein weniger sachkundiger Zeitgenosse wäre vielleicht einfach vorbeigegangen. Und dieser M3 hätte für die Geschichte verloren sein können.
Der Besitzer war anwesend und erlaubte Nils, die Fahrgestellnummer zu notieren. Die Baunummer zeigte, dass es sich um ein DTM-Auto des Linder-Teams handelte, eines der teils werklich unterstützten Teams. Obwohl es nicht annähernd so erfolgreich war wie die Schnitzer- und Bigazzi-Mannschaft, hatte es doch einen legendären Stammbaum.
Auf Nils’ Heimweg sorgte ein Telefonat mit Christian Löhr, einem der weltweit führenden Experten für DTM-Autos der 90er Jahre, für eine prompte Kehrtwende, als Christian eröffnete, um welches Linder-Auto es sich handelte. Es war nicht einfach nur ein T-Fahrzeug oder ein Übungsauto, sondern eines der limitierten „Sport Evolution“-Modelle, die gebaut wurden, um das neue Aero-Kit und den 2500-cm³-Motor homologieren zu können. Und eines der beiden Autos, die von Armin Hahne sowie Wayne Gardiner gefahren wurden und in der DTM 1992 in der kultigen Jägermeister-Lackierung antraten.
Der Besitzer war nicht besonders erpicht darauf, den Wagen zu veräußern; außerdem gab es bereits einen Interessenten aus Deutschland. Für Nils bedeutete dies einige schlaflose Nächte – doch schließlich entschied sich der Besitzer, ihm seine Rarität zu verkaufen.
Das erste, was Nils zu tun hatte, war, alle historischen Fotos ab 1992 und Informationen zu sammeln, die er finden konnte. Christian Löhr war dabei natürlich eine große Hilfe, zusammen mit Conrad Timms aus Neuseeland.
Die Geschichte des Wagens war nicht allzu schwer nachzuvollziehen. Es wurde seinerzeit von Linder als Ersatzauto für Hahne gebaut und kam daher in der Saison 1992 nur spärlich zum Einsatz. Für die letzten beiden Rennen des Jahres erweiterte Linder auf zwei Autos, und so wurde dieses von Moto-GP-Champion Wayne Gardener gefahren. Obwohl er keine Punkte holte, war der Australier offensichtlich ein Publikumsmagnet. Im darauffolgenden Jahr, weiß lackiert mit dem Schriftzug ITEM in Rot versehen, wurde der BMW von Harald Becker pilotiert. Der schlug sich in der Saison 1993 gut – mit einem sechsten Platz auf dem Nürburgring als Höhepunkt und Platz 14 in der Meisterschaft.
Nach der DTM wurde der Wagen rund zehn Jahre lang als Rallycross-Auto in Schweden eingesetzt – eine Zeit, die er nur mit viel Glück überlebte. In den frühen 2000er Jahren wurde er ein Jahrzehnt lang als Rundstrecken-Rennwagen in Norwegen eingesetzt – bis zum Mai 2014, als er schließlich in Nils‘ Heimatstadt Maandalen im Nordwesten Norwegens geliefert wurde.
Die erste Aufgabe …
… bestand für Nils darin, seinen Neuerwerb komplett zu zerlegen, um genau festzustellen, welche speziellen DTM-Teile ihm noch fehlten. Nach so vielen Jahren und wahrscheinlich Hunderten von Rennen nach seinen glorreichen Tagen waren natürlich viele seiner einzigartigen DTM-spezifischen Teile nicht mehr vorhanden, wie etwa der Kabelbaum, das ABS-System, Aufhängungsteile, Komponenten der Bremsanlage, das Getriebe und das Kraftstoffsystem, ganz zu schweigen vom Motor. Da die meisten Teile nicht mehr bei BMW erhältlich waren, stellte die Suche einen langwierigen Prozess dar, bei dem schließlich Teile unter anderem aus Neuseeland und von Muzzi Motorsport in Österreich beschafft wurden.
Die Karosserie hatte während ihres Vierteljahrhunderts im Motorsport nie einen größeren Unfallschaden erlitten, aber sie hatte ein hartes Leben hinter sich, und die meisten Teile waren verbeult und nur grob repariert worden. Einige, wie das Heck und die Kotflügel, mussten ersetzt werden. Die nackte Karosserie wurde zu Meek Custom Coachbuilding geschickt, wo man die Reparaturen der Verkleidungen und das erneute Schweißen der Nähte durchführte und dabei sicherstellte, dass jede Schweißnaht genauso ausgeführt wurde, wie Linder es getan hatte.
Meeks Arbeit war im März 2016 beendet, und etwa zur gleichen Zeit lernte Nils zwei Ex-Mechaniker kennen, die bereits ’92 an dem Auto gearbeitet hatten. Einer von ihnen war Uwe Scharr von Scharr Motorenbau, der mehr als glücklich war, bei dem Projekt helfen zu können. Das Herzstück des Autos, ein S14/3-2.5-DTM-Motor mit allen korrekten Teilen und der Elektronik, war offensichtlich ein echter Meilenstein für das Projekt und ist einer der Gründe, warum sich dieses Auto von ähnlichen Bauten abhebt. „Bei einem der absolut letzten DTM M3 musste es unser Ziel sein, ihn so genau wie möglich und so gut wie möglich zu restaurieren“, schmunzelt Nils.
Als das Auto wieder in der eigenen Garage stand, nahm das Projekt Nils‘ Abende und Wochenenden komplett in Anspruch. Die Schweißmuttern für die ABS-Pumpe befanden sich noch im Boden, sodass es offensichtlich war, wo der Ersatz montiert werden musste. Die Kohlefaserhalterung für das Motorsteuergerät war schon seit ’92 am Auto, aber da sie bereits 25 Jahre alt war, stellte Nils eine Kopie her. Letztendlich ist der Motorraum zu 99 Prozent original, und nur der anspruchsvollste Aficionado würde bemerken, dass das Entlüftungsrohr aus schwarz eloxiertem Aluminium und nicht aus der originalen Kohlefaser besteht.
Weitere winzige DTM-Details sind die Scheinwerfer, die an den Kühlergrill geklebt wurden und somit ohne Halterung auskamen; die Glaslinsen selbst wurden durch wesentlich leichtere Pendants aus Macrolon ersetzt. Weiterhin ist ein leichtes Aluminium-Differential ist eingebaut, wie es viele Teams 1992 fuhren. Doch während das Linder-Team ein 5-Gang-Getrag-Getriebe einsetzte, wollte Nils sein Auto lieber mit dem 6-Gang-Hollinger-Getriebe ausstatten. Eines der letzten Teile, die beschafft werden mussten, waren der richtige Abstandshalter und der Splitter; die korrekte Version wurde im vergangenen Winter eingebaut. Gleiches gilt für die leichten Lexan-Fenster.
Im Dezember 2017 wurde das Auto wieder zerlegt und das Chassis zum Lackieren zurück zu Meek Custom geschickt, und als es Anfang 2018 zurück in Nils’ Garage war, halfen seine Freunde Ove Berild von Berild Engineering und Geir Magne Moen zusammen mit ein paar anderen bei der Endmontage.
Nach drei Jahren Bauzeit und 2500 investierten Stunden sagt Nils, dass es ein besonderes Erlebnis war, das Auto zum ersten Mal seit über einem Vierteljahrhundert in Orange zu sehen. „All die Stunden und die Arbeit, all die Telefonate und Nachforschungen, all die E-Mails und Gespräche mit Leuten, die Fotos von genau diesem Auto in seinen goldenen Jahren hatten, dienten letztendlich dazu, es für den Oldtimer Grand Prix auf dem Nürburgring vorzubereiten. Daher war es für uns ein absolutes Vergnügen, endlich wieder dorthin zurückzukehren und am Oldtimer-GP teilzunehmen, auf der Strecke herumzudüsen und zwei Runden in der Grünen Hölle zu drehen.“
Als Kirsche auf dem Sahnehäubchen erreichten Nils und seine Mitstreiter am Ende den dritten Platz in der Revival-Klasse – und somit einen Platz auf dem Podium.
Text: Robb Pritchard/Frank Schwichtenberg
Fotos: Bilsport, Nikonandy, Right On